(Gerechte) Lastenteilung als komplexe Interdependenz in der NATO
Diese Untersuchung zur Lastenteilung zwischen NATO-Mitgliedstaaten nutzt die Interdependenztheorie mit den beiden Kernkonzepten Empfindlichkeit und Verwundbarkeit um zu zeigen, dass die große Heterogenität der Mitgliedstaaten sowie historisch kontingente Konflikte in den transatlantischen Beziehungen zu diffus reziproken Vereinbarungen geführt haben, die grand bargains genannt werden. Sie müssen ständig erneuert und dynamisch weiterentwickelt werden. Lastenteilung ist weitaus umfassender als nur die gerechte Verteilung vereinheitlichter Verteidigungsausgaben. Sie schließt Beiträge zur kollektiven Verteidigung, Teilnahme an Militärmissionen und vor allem auch die Übernahme von Risiken ein. Die Mitgliedstaaten unterscheiden sich hinsichtlich Größe, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, geographischer Lage, militärischen Fähigkeiten sowie dem nuklearen Status. Aus diesen Eigenschaften entstehen mitgliedstaatsspezifische Empfindlichkeiten und Verwundbarkeiten. Bei der Lastenteilung werden sie in wiederkehrenden Verhandlungen miteinander verrechnet und stets auf ein für alle Beteiligten erträgliches Maß an Verwundbarkeiten gesenkt. Die hier neu in die wissenschaftliche Diskussion eingeführte Interdependenztheorie öffnet ein vertieftes Verständnis von Lastenteilung in der NATO, das weit über aktuelle Debatten wie die des zwei-Prozent-Ziels hinausweist.